
Aufstellungs-Fallbeispiel: Die 8-Jährige Viona* hat Angst vor Kindergeburtstagen und wo Kinder zusammenkommen ...
Erbrechensangst - Emetophobie. Der ausgegrenzte, verschwiegene Opa und die gestörte Beziehung zwischen Viona´s Papa und seinem Vater
Mittlerweile ist die Belastung für die Famile von Viona (*Name geändert) so groß, daß ein alternativer Behandlungsweg bei der Mutter in Frage kommt. Der Familienvater hält nichts von der Behandlungsform "Systemaufstellungen" und so entscheidet sich die Mutter mit Viona alleine zu einer Symptomaufstellung zu kommen. Die Belastung ist auch für Viona so hoch, dass sie nirgendwo mehr hingehen mag, aus Angst, das jemand spucken könnte. Viona erschien an einem Freitagnachmittag also mit ihrer Mutter.
Die Kinderaufstellungen machen meine Frau, Angela Köstel-Hegeler, selbstständige Logopädin mit eigener Praxis in Bornhöved und ich, Peter Köstel, anerkannter Systemaufsteller (DGfS) immer zusammen. Meine Frau widmet sich ausschließlich dem Kind und malt meist ein Bild zur Familiensituation - der darstellende Weg ist bei Kindern bewährt - und eröffnet einen kindgerechten Kontakt, wenn man sich nicht kennt. Denn wir brauchen das Vertrauen und möglichst die Entschlossenheit des Kindes, um eine Lösung herbei zu führen.
Während meine Frau Angela also mit dem Kind alleine ist, kläre und erkläre ich Rahmenbedingungen mit den Eltern in meinem 1:1-Aufstellungsraum, in diesem Fall "nur" mit der Mutter. Ich beantworte Fragen und erläutere auch das eingesetzte Material und den Ablauf. Ich betone immer, dass ich nicht weiß, was sich zeigen wird und "was hinter" der Emetophobie (in diesen Fall) stecken könnte.
Einstieg in die Kinderaufstellung
Eine wichtige Frage lautet immer an das betroffene Kind: "Auf einer Skala von 1- 10 (sehr schlecht bis sehr gut) würdest du erkennen, dass dir die Aufstellung, so nennen wir das, was wir gleich machen, gut getan hat." Zwischen der Außenwand und dem Schrankwand liegt also das unsichtbare Massband, was jedes Kind bisher verstanden hat. Viona sagt spontan "5". Um es vorweg zu nehmen, sie ging nach eigenem Empfinden mit einer "7" nach Hause und zusätzlich hat sie gelernt "STOP" zu sagen! Eindrucksvoll "STOP" zu sagen!!!
Die Symptomaufstellung
Viona hat Angst, das irgendjemand irgendwo spontan spuckt, wo sie sich gerade aufhält, beispielsweise auf einen Kindergeburtstag oder in der Schule. Das Gefühl zu Beginn der Aufstellung mit der Erbrechensangst "Spucken" stufte Viona mit einer "1" ein - es geht ihr also sehr schlecht mit ihrer Situation im Frühjahr 2025.
Je ein Waabo für Viona und "Das Spucken"
Kinder suchen sich genauso wie Erwachsene, wenn sie eine 1:1-Aufstellung machen, also ohne Gruppe, zunächst ein Bodenanker für sich selbst aus. Ich nenne diese selbstgestalteten Bodenanker "Waabos" - Wahrnehmung am Boden. Meine Haltung dazu: Entweder ist die Wahrnehmung der Patienten am Boden, also es gibt überhaupt kein Gefühl zum Leben oder der Situation oder aber wir brauchen unbedingt eine Verwurzelung mit dem Leben. Und dann ist es gut, wenn wir uns mit dem Waabo verbinden ... mit unserem Leben, unserem Sein! Davon erfuhren Viona und ihre Mama nichts, sondern die Lütte hatte einen Waabo aus der Box gezogen und legte ihn in eine Ecke im Praxisraum meiner Frau (siehe auch nachgestellte Bilder).

Danach platzierte sie "Das Spucken" mit dem einzigen Herz-Waabo aus dem Waabo-Set diagonal entgegengesetzt im Raum zu sich selbst. Das Spucken schaute durch die Glasflügeltür nach draußen, so bestimmte Viona die Blickrichtung. Und sie selbst schaute in die Zimmerecke am Schrank. Zur Verdeutlichung lege ich immer Pfeile vor die Waabos. Es ist mir wichtig hier für die Mutter und das Kind, das sie verstehen, das hier derzeit gar kein Kontakt existiert zur möglichen Lösung. Wenn beide Waabos "quasi Rücken an Rücken" - zwar mit einem Abstand von ca. 4 Metern - sich keines Blickes würdigen, dann gibt es einfach keinen Kontakt. Zumal Viona in der Ecke auch maximal die Ecke am Schrank einsehen konnte, ohne jegliche Bewegungsmöglichkeit zum Start.

"Was meinst du, sprechen die Beiden miteinander?"
Ich fragte Viona, ob sie meint, ob die beiden miteinander sprechen können, wenn sie sich überhaupt nicht anschauen? Noch konnte sie nichts mit meiner Frage anfangen. Ich möchte von ihr wissen, wenn es Streit in der Schule gibt, ob sich die Kinder anschauen um sich zu verstehen. Das bejahte Viona, auf einmal etwas bestimmter "Ja wir schauen uns an"!
Nun nimmt sie bewusster wahr, dass "Das Spucken" (ihre Worte) und sie selbst voneinander abgewandt stehen. Eine erste Ahnung stellte sich ein und ihr ist sofort klar, das es eine bessere Situation braucht.
Meine Frau Angela vertritt immer die Kinder und so war es an der Zeit auf das Viona-Waabo in der Ecke zu gehen. Meine Frau zeigt nun als Viona eine tiefe Traurigkeit. Ich bitte Viona sich einen guten Platz im Raum zu suchen, damit sie die Stellvertretin "Viona" in der Ecke gut wahrnehmen kann. Dem Impuls folgt sie umgehend und setzt sich zwischen die beiden Waabos.
Kennst du die Traurigkeit?
"Kennst du die Traurigkeit?" fragte ich sie. "Ja, manchmal ist sie sogar sehr groß" fügte sie mit eigenen Worten an. Auch eine zweite Empfindung der Stellvertreterin kannte sie nur zu gut. Die Mutter schaute gespannt auf ihre Tochter. "Ich gehe jetzt mal auf "Das Spucken" Viona", kündigte ich meine Bewegung an. Als ich (Peter) auf dem Waabo stand, verspüre ich eine unbändige Wut. Bei Erwachsenen-Aufstellungen würde ich sie wirklich sofort herrausschreien, bei Kinderaufstellungen ist es wichtig es wahrzunehmen.
Ich verließ das Herz-Waabo und ging auf Viona zu. Ich fragte sie "Bist du auch manchmal wütend?" "Nein!", gibt sie zur Antwort. Ich entschied mich, dass sie probeweise einfach mal wütend sein darf. Nacheinander bekam sie kleine Kissen, die sie an die Wand schmeißen durfte. Mit jedem Kissen merkte sie, das da was ist. Und zu leicht durften die Kissen nicht sein, meinte sie dann selber ... Nach dem 6. Kissen war es gut, befand sie.
Ich bot ihr an eine Grenze zu ziehen, so wie in ihrem Kinderzimmer, wenn sie mal die Tür zumacht und sagt "Schluß oder ich möchte meine Ruhe liebe Geschwister"! Ich erklärte ihr, wir machen dies hier mit Seilen, die wir auf den Boden legen. Noch bevor ich reagieren konnte nahm sie sich ein schwarzes langes Seil und legte es aus, bis zum Klettergerüst!
Kinder haben auch ein Intimbereich!
Nun wollte ich ihr helfen die Grenze in ein Wort zu fassen. das wollte so einfach nicht gelingen und so bot ich ihr eine Variante an, die sie ausprobieren konnte ... Ich erklärte ihr, dass ich auf sie zugehe und sie soll mich stoppen mit "STOP". Dabei ist natürlich spannend, wann das "STOP" ertönt ... Tatsächlich kennt Viona ihren Intimbereich, eine Armlänge. Ich zeige ihr, das auch Erwachsene diesen Raum zur Sicherheit idealerweise nutzen.
Mehrfach ging ich auf sie zu und wir trainierten das "STOP-Sagen". Zum Schluß sorgte sie mit einem Ausfallschritt und ausgestrecktem Arm für ein energisches "STOP" für den Respekt zur Grenze (schwarzes Seil). Nicht schlecht dachte ich ...
Hat sich was beim Waabo "Das Spucken" verändert?
Nun war es für mich als den leitenden Aufsteller wichtig zu erfühlen, ob sich beim Waabo "Das Spucken" etwas verändert hatte. Als ich den Waabo betrete habe ich das sehr starke Gefühl, das der Opa väterlicherseits aufgestellt werden muß. Ich äußerte, dass wir jetzt den Opa brauchen. Die Mutter sagt sofort, "Oh mit meinem Vater versteht sie sich gut!" "Nein, nein, wir brauchen den anderen Opa", entgegnete ich.
"Den kenne ich ja noch nicht einmal! Und Viona hat ihn auch noch nie gesehen", so die Mutter
Ich sage zu Viona, "Weißt du, manchmal darf man auch einen Waabo für einen Opa nehmen, den man gar nicht kennt,"
Für sie ist es leicht, die Mutter ist deutlich irritiert. Viona legt den Opa väterlicherseits genau gegenüber der Ansammlung der Wutkissen und der Grenze ...
Als ich auf den Opa-Waabo ging, weinte ich sofort bitterlich. Ich (der Opa) war sehr sehr traurig über die verfahrene Situation.
Kannst du etwas zu deinem Opa sagen?
"Kannst du zu deinem Opa sagen: Ich bin deine Enkelin und du bist mein Opa". Viona macht dies prima und so konnten sich die nächsten Sätze anformen ... "Das was zwischen dir und meinem Papa läuft, geht mich nichts an. Das ist eure Sache" ... und dann passierte etwas Unglaubliches ... sie streckte die Hand bei gestreckten Arm aus, als sie die Sätze nocheinmal sprach ...
Der Opa-Waabo bewegt sich ...
Auf dem Opa-Waabo stehend sagte ich nichts weiter und bewegte den Opa unter das Waabo "Das Spucken". Es wurde klar, "Das Spucken" und der Opa väterlicherseits sind "Eins" oder "Ein und dasselbe". Für Viona legte ich die Waabos so, das sie noch beide überlappend zu sehen waren, bei Erwachesenen-Aufstellungen verschwindet der Waabo unter dem Symptom oder anders herum ... Bei Kinderaufstellungen können Kinder so besser verfolgen, wo der Opa (in diesem Fall) denn geblieben ist ...

Die Stellvertreterin von Viona war mittlerweile neugierig zum Opa gekommen
Mittlerweile war die Stellvertreterin für Viona (meine Frau Angela) näher herangerückt. Ich fragte Viona, ob sie sich zur Stellvertreterin hinzu stellen möchte. Sie wollte! Und so stehen die Beiden jetzt dem Spucken bzw. dem Opa gegenüber ... mit einem Armlängenabstand!
Viona selbst möchte ein sichtbares Zeichen und ihre Stellvertreterin (meine Frau) bittet um das Herz aus dem Waabo. Der Opa (ich, Peter Köstel) übergab liebevoll das Herz aus dem Waaboinneren. Als Opa konnte ich zu Viona sagen: "Ich habe dich lieb" und dabei übergab ich das Herz.
Liebevoll strichen Viona und ihre Stellvertreterin über das Teppischherz. Es war sehr berührend. Sie entschieden, dass das Herz einen guten Platz haben dürfe. Viona selbst stellte es sichtbar ins Wandregal. Und ohne jegliche Anweisung oder Satzimpuls sagte sie zum Opa "Danke!"
Ich war in meiner Rolle völlig perplex, aber auch als Aufsteller! Viona wirkt so entlastet und als Aufsteller beende ich die Arbeit sanft, in dem sie Angela als Viona entlässt und alle Waabos selbst nacheinander in die Box zurücklegt. Bis auf das Herz, das blieb noch im Regal. Auch die Grenze nahm dieses wundervolle Kind auf. Die Wutkissen versorge ich und als wir wieder alle sitzen, fragt Angela "Wie geht es dir jetzt?" Sie sagte sofort "Ich fühle mich als "7"!" Eine große Freude füllte den Raum bei allen Beteiligten!
Beim Abschied schüttelte ich unablässlich die Hand von Viona aus einem Reflex und sagte "Tschüß, Tschüß, Tschüß ..." Im ersten Moment empfand Viona meine Abschiedzeromie lustig und dann sagt sie ganz energisch "STOP!"
Ich applaudierte spontan und konnte nur noch ein Wort sagen "Danke!".
Beste IMPULSE aus dem HERZen von Holstein
Peter Köstel
Entwickler. Aufsteller. Brückenbauer.
Nachbetrachtung

Diese Kinderaustellung hat eine Stunde gedauert. Kinderaufstellungen sind immer viel schneller. Zum Vergleich ... eine "Erwachsenenaufstellung" im 1:1 dauert zwischen 2 und 2,5 Stunden. Kinder sind viel durchlässiger und deutlich weniger mit inneren Blockaden beschäftigt. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen ... die Kinder machen es einfach ...
Viona ist jetzt frei von ihren Angstzuständen "Emotophobie". Bis heute sind sie nicht wieder aufgetreten. Ich bin sehr dankbar. Wir, meine Frau und ich sind sehr dankbar für diese lösende Arbeit der Systemaufstellungen / Symptomaufstellungen. Danke!
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