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Kinderaufstellung bei Gewaltpotential - Ohne Gefühl. Die X-te Schulverwarnung für Ruben, ca. 14 Jahre und immer Ärger mit den Geschwistern. Mein Opa!

Ich, Peter Köstel, arbeite bei Kinderaufstellungen immer mit meiner Frau zusammen. Sie vertritt immer das Kind. Ich bin Aufsteller und vertrete z. B. die Symptomatik oder Personen. Die nicht näher benannte Symptomatik führte zur Zerstörung der Tür.
Ich, Peter Köstel, arbeite bei Kinderaufstellungen immer mit meiner Frau zusammen. Sie vertritt immer das Kind. Ich bin Aufsteller und vertrete z. B. die Symptomatik oder Personen. Die nicht näher benannte Symptomatik führte zur Zerstörung der Tür.

Rubens* Gefühl der Unstimmigkeit mit der Umwelt

Gefühl, dass die Umwelt nicht stimmig ist. Wahrnehmung, dass "die anderen" nicht stimmen, sowohl in der Schule als auch generell.

Eine Mutter erzählte meiner Frau von Ihren "Herausforderungen" mit einem ihrer Kinder. Ruben (*Name geändert) ist ein ca. 14 Jähriger Schüler und hat selber darum gebeten zum Psychologen gehen zu dürfen, weil er das Gefühl hat, sich nicht mehr kontrollieren zu können. Dies ist durchaus bei mehreren Geschwistern und in der Schule zu Auseinandersetzungen gekommen. Von den Verwarnungen wusste ich, aber nicht von möglichen Hintergründen. Zusätzlich möchte die Mutter die Möglichkeit der Systemischen Therapie nutzen. Wenn wir Kinder bzw. Jugendliche nicht kennen, braucht es Zeit um ein Stück Vertrauen und eine erfolgreiche Arbeit überhaupt erreichen zu können.

Ruben ist nicht freiwillig hier

Mein erster Eindruck beim Eintreten war, Ruben ist nicht wirklich freiwillig zum Termin gekommen. Als wir für uns Beide entdeckten, dass wir beide gerne zelten, war eine erste Basis geschaffen. Ich selber wusste nichts, meine Frau kannte ein paar Zusammenhänge. Und so gestaltete sich das Eingangsgespräch "zäh". Die wenigen Fakten konnten nicht offen angesprochen werden. Nach ca. 20 Minuten konnte er sagen, dass er sich wünscht, dass es ihm besser gehen soll. Er gab sich eine "5" auf der Skala von 0 bis 10 - mir geht es heute schlecht bis sehr gut. Damit ich ihn ernst in seiner Haltung nehme, sprechen wir über den Gedanken "das Glas ist halb voll oder halb leer". Er machte sich zunächst lustig, doch langsam nahm er die zwei Wahrnehmungsperspektiven ernst und wünschte sich den Blick nach oben (Glas ist halb voll) - idealerweise auf 7 bis 8 zu steigern ... voilá!

Unser Commitment lautete "Sein Gefühl zur Umwelt ist nicht stimmig. In seiner Wahrnehmung stimmen "die  Anderen" nicht - sowohl in der Schule als auch generell." Er geht aber mit dem Ziel in die Aufstellung (von der er noch nicht weiß was es wirklich ist), dass es ihm danach besser gehen sollte und so können wir starten.

Ruben wusste, dass er jederzeit die Systemische Aufstellung beenden durfte, wenn es ihm unangenehm werden würde - vorab, er hat davon Gebrauch gemacht.

Aufstellungsbeginn

Aus der Waabo-Box zog Ruben zunächst ein Waabo für sich. Ruben legte den Waabo direkt an die linke Seite seines Sitzplatzes. Das Symptom platzierte er rechts von sich, auch ganz nahe an seinem Platz. Er sitzt also zwischendrin oder mittdrin - zwischen dem Symptom, was ihn vermeintlich belastet und seiner eigenen Person. Er verstand, dass es ganz schön eng bei ihm aussah ...

Meine Frau Angela nahm die Position von Ruben ein und zeigte sich ziemlich traurig. Als Stellvertreter für Ruben verhaarte sie in sich - sie war völlig regungslos. Es gab für seine Stellvertretung keine Perspektiven. Ruben schaute auf seine Stellvertretung und meinte, dass nur wenn er sich zurückzieht, er sich wirklich wohl fühlen kann, nur wenn er für sich ganz alleine sein kann ...

Das Symptom kommt in die Aufstellung!

Das Symptom-Waabo hat gestanzte geschlosse Augen in Dunkelblau. Für mich ist es ein Anzeiger, dass da "jemand" der Realität oder der Wahrheit" nicht ins Auge sehen möchte. Für Personen, die auf den runden Waabo schauen, wirkt es wie ein Teppichrest und da soll etwas passieren ... JA!!!

Nachdem ich den dunkelblauen Waabo betreten hatte, fing ich sofort an in die Luft zu boxen und rückte immer und immer näher an die Schrankwand in der Praxis meiner Frau. Bis ich die Türen wie ein Boxsack benutzte. Ich wurde so wütend, dass ich die gelbe Tür wirklich durchschlug. Mir ist in der Stellvertretung schon viel passiert, aber das war selbst für mich heftig und normalerweise kann ich mich reguleren, dies ging dieses Mal überhaupt nicht.

Der echte Ruben staunte nicht schlecht und irgendwie gefiel es ihm und dann doch wieder nicht. Auf meine Frage, ob er diese Gefühle kenne, verneinte er er kurz, aber dann entgegnete er, dass er in der Schule schon öfter zugeschlagen hat, um sich nach seiner Ansicht zu wehren, aber er bekommt immer die Schuld. Und langsam kam er in Fahrt. "Ich werde dann "Gewaltaggressiv" erklärte er bereitwillig. Er war überzeugt, dass dies so "richtig" sei. 

Ich zeigte ihm Möglichkeiten auf, wie er auch reagieren könnte, z. B. eine Idee wäre aus "dem Gewalt-Raum" zu gehen und die bewusstere Haltung die einhergehen könnte. Langsam erreichte ich ihn.

Der Stellvertreter "Ruben" war mittlerweile in die Knie gegangen ...

Meine Frau als Stellvertreter für Ruben setzte sich vor die Glasflügeltür ohne in den Garten zu schauen. Sie kümmerte sich erst nur um sich und fing auf einmal an zu schießen. Auf dem Ballancierbalken ist eigentlich ein kreatives Holz-Drehelement, was nun zweckentfremdet wurde. Mit einer imaginären NERF schoß Rubens-Stellvertretung auf die Geschwister, halt mit so weichen Plastikgeschossen . Nicht wirklich sichtbar, sondern unter Nutzung des Balancierbalkens und dieses drehbaren Holzstückes und der Erklärungen meiner Frau in ihrer Stellvertretung. Der wahre Ruben fand das richtig gut und hatte seinen Spaß. "Die nerven", war sein Kommentar.

Die Praxissituation. Der Balancierbalken wurde mit dem Drehelement zur NERF und im Hintergrund ist eine metallene Gruppe von Kindern, die eigentlich fröhlich singen ...
Die Praxissituation. Der Balancierbalken wurde mit dem Drehelement zur NERF und im Hintergrund ist eine metallene Gruppe von Kindern, die eigentlich fröhlich singen ...

Ich bitte Ruben seine Mutter und seinen Opa mütterlicherseits ins Feld zu holen

Er legt die Waabos mit weiteren Abstand auseinander, im Vergleich zum ersten Mal. Zwischen seiner Mutter und ihm lag nun ... der Opa ... sein vielgeliebter Opa!!! Der Großvater ist schwer krank mit Krebs. Und für ihn ist er "sein ein und alles". Er weiß nicht was er machen würde, wenn er sterben würde ...

Ich bitte Ruben in den Praxisraum um sich die Situation genau zu vergegenwärtigen. Am Fenster kniete immer noch sein Stellvertreter (meine Frau) und spielte mit der NERF. Seine Mutter konnte den Stellvertreter Ruben nicht sehen, weil der Opa genau "in der Schußlinie" verweilte. Der Großvater nahm also beiden, dem Enkel die Sicht auf die Mutter, der Mutter die Sicht auf ihren Sohn. Ich erklärte ihm die Ahnenreihenfolge ... Du bist das Kind, das Kind deiner Eltern. Dabei stellte ich mich zur besseren Erklärung hinter ihm. Und deine Mama hat deinen Opa als Papa und steht idealerweise hinter deiner Mama. Ruben bat ich sich hinter mich als Aufsteller und Vertreter seiner Mutter zu stellen, um den Opa zu in seiner Rangfolge zu verdeutlichen. "Und auch dein Opa hatte einen Papa, natürlich auch eine Mutter, aber in der Ahnenreihe - so nennt man die Generationen-Nachfolge - steht "idealerweise" immer das jeweilige Elternteil hinter einem Kind", so meine Worte. Das verstand Ruben und ich sagte ihm "Und deshalb sollten wir die Situation im Raum/Feld jetzt klären."

Ruben war bereit mit seinem Opa zu sprechen

Für mich als Aufsteller geht das Einverständnis mit einer persönlichen Verantwortung einher. Ich bat ihn "Hallo Opa" zu sagen. Ruben versagte die Stimme und verschämt schaute er zur Seite und wurde sehr traurig. Dann sagte er "Das kann ich nicht", gab er mir zu verstehen. Nur "Hallo" sagen in Richtung des Opas ging dann nach einem Moment. Ich ließ ihn in Richtung des Opa-Waabos weiter achtsam sagen "Opa mir geht es auch nicht so gut".  Langsam spürte er, dass da etwas ist ... war. Ich bahnte weitere lösende Sätze an und tatsächlich konnte der Opa aus der (Schuß-) Linie gehen. Ich bin immer wieder auf den Opa-Waabo gegangen. Gelöst war die Situation aber nicht!

Die Mutter rückte jetzt näher an ihren knienden Sohn. Der Abstand der Dreierkonstellation schien wie ein gleichschenkiliges Dreieck zwischen Opa, Mutter und dem knieenden Ruben jetzt darzustellen. Die Hilflosigkeit und Traurigkeit der Mutter wurde deutlich. Als ich wieder neben Ruben stand, bat ich ihn auf die Mutter zu schauen. Es verlangte ihm sichtbar seine letzten Kraftreserven ab, das war zu spüren. Diese tiefe Traurigkeit zeigte sich jetzt auch bei Ruben.

Ich formte den Satz an, den Ruben zunächst nachsprechen konnte: "Mama ich bin sehr traurig, ich brauche dich so sehr". Das erste Mal konnte er die Worte noch rauspressen und gleichzeitig versuchte er alle Tränen mit seinem Trikot zu trocknen. Als ich ihn bat den Satz "Ich brauche dich so sehr" zu verstärken, brach er beim dritten Mal den Satz ab und stieg aus der Aufstellung aus, indem er "STOP!" sagte.

Für mich nenne ich es "Der Elephant" ist im Raum

Ich achte dieses STOP immer sofort, weil ich möchte, das der Patient, der Klient, der Jugendliche erkennen kann, wenn er bei mir "STOP" sagen kann, dann ist es in meiner Haltung auch an anderer Stelle möglich. Bei Aufstellungen sind wir nicht in Hollywood-Filmen oder bei romantischen Rosamunde Pilcher - Happy Ends und alle haben sich lieb. In meiner Aufstellungsarbeit geht es darum, die Bewegungen im System sich am Ende noch einmal "in aller Ruhe" anzuschauen.

Ruben merkt, das da mehr Raum reingekommen ist

"Weißt du noch wie wir begonnen haben?" ... Und ob er das weiß! Er schaut auf die kaputte gelbe Tür. In dem Moment klingelt sein Handy in seiner Jogginghose. Tatsächlich hatte ich es nicht bemerkt und er zückte es. Er unterdrückt die Nachricht seines Vaters ... ein Kranken-Hubschrauber ist gerade auf dem Feld neben dem Eltern-Haus gelandet und dabei schaut er auf die demolierte Tür.

Er nimmt meine Einladung an, diese in diesem Zustand zu fotografieren. Dann schauen wir uns die Situation mit Opa, mit Mama und dem etwas entspannteren Stellvertretung an. "Für heute lassen wir es so stehen Ruben. Wenn du und nur wenn du es möchtest, dass wir weiter zusammen arbeiten möchten, damit es dir besser geht, rufst du uns persönlich an", formulierte ich meine Haltung für seinen Lösungsweg. "Ist das für dich okay?" wollte ich von Ruben wissen. Ja, das war es. "Möchtest du eine Visitenkarte mitnehmen?" fragte ich nach. Auch das wollte Ruben. 

Das war mutig Ruben und es ist dein Weg - Meine Nachbetrachtung

Die Entscheidung für einen Heranwachsenden sich zunächst in eine Therapie in einer Pschologischen Praxis zu begeben finde ich sehr verantwortungsvoll. Und dann begleitend den Mut zu haben, einen systemischen Weg zu gehen, den selbst viel Erwachsene sich nicht trauen würden, ist schon sehr bemerkenswert. Daran sehen wir, wie groß die seelische Not bei Ruben sein muß.

Ich wollte diesen Beitrag veröffentlichen, weil der Weg noch nicht klar ist. Gerne schreibe ich auch über Erfolgsgeschichten und freue mich dann für die Patienten oder Klienten. Hier liegt noch ein Weg vor dem 14-Jährigen. Ruben hat 100-Prozentig die bildliche Situation aus der Aufstellung erkannt und konnte sich bis hierhin öffnen. Das war und ist für mich "Großartig". Für mich braucht es jetzt Vertrauen bei Ruben und ich bin gespannt, ob es zu einer Entspannung kommt bzw. ob er sie spüren kann - so das es ihm besser geht.

Ich wünsche mir sehr, weiter berichten zu können. 

Niemals werde ich vergessen, wie ich als Stellvertreter die Schranktür aus Wut in meiner Stellvertretung durchschlagen habe und ich habe gesehen, dass es Ruben tief beeindruckte. Ansonsten hätte er das Handyfoto wohl nicht gemacht.

Ich glaube zutiefst an die Wirksamkeit dieser Arbeit - im jetzigen Moment kann ich es aber noch nicht beweisen.

Beste IMPULSE aus dem HERZen von Holstein

 

Peter Köstel

Entwickler. Aufsteller. Brückenbauer

 

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